EMA zieht Bilanz nach fünf Jahren PRIME
Ein Report der EMA über die Erfahrungen mit den ersten fünf Jahren PRIME zeigt: Das Programm ist erfolgreich, indem es das Zulassungsverfahren vor allem für kleine und mittlere Unternehmen verkürzt und Patienten zu einem schnelleren Zugang zu Arzneimitteln mit ungedecktem Bedarf verhilft. Der Report enthält auch eine Fülle von Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Programms. "Product Development Tracker" und „Submission Readiness Meeting" sind nur einige der Stichworte.
Am 03.03.22 hat die EMA auf ihrer Website eine Analyse über die ersten fünf Jahre mit PRIME (März 2016 – Juni 2021) veröffentlicht. Der 82-seitige Bericht*) enthält auch Empfehlungen für eine Optimierung des Programms. Umfragen bei Regulatoren und Unternehmen stützen die Analyse (die Fragebogen sind im Anhang des Reports dokumentiert).
Das PRIME-Programm (PRIority Medicines Scheme) wurde 2016 von der EMA eingeführt, um neue Arzneimittel für einen ungedeckten Bedarf und/oder mit bedeutendem therapeutischem Vorteil im Vergleich zu bestehenden Behandlungsoptionen (Priority Medicines) schneller verfügbar zu machen, indem deren Entwickler ein frühzeitiger Zugang zum bestehenden Instrumentarium der Agentur gewährt wird. So kann Unternehmen und universitären Institutionen, deren Arzneimittelprojekte sich für PRIME qualifizieren, schon ab der frühen klinischen Entwicklungsphase ein CHMP- oder CAT-Rapporteur zugewiesen werden. Ein Kick-off-Meeting mit dem Rapporteur und interdisziplinären Experten dient der Aufstellung eines Entwicklungsplans und einer Strategie für den regulatorischen Prozess. Jeweils bei Erreichen bestimmter Meilensteine erhält der Arzneimittelentwickler Scientific Advice, für den bei Bedarf auch Health-Technology-Assessment-Institutionen und andere Stakeholder hinzugezogen werden können. Kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU/SME) und universitäre Forschungseinrichtungen können sich bereits auf einer präklinischen Entwicklungsstufe für das Programm bewerben. Wird für Prime-Arzneimittel schließlich ein Zulassungsantrag gestellt und der Antrag validiert, startet der Prozess nach dem beschleunigten Verfahren (Accelerated Assessment), eine Rückstufung auf das Standardverfahren ist jedoch nicht ausgeschlossen.
Von 18 Zulassungen von PRIME-Arzneimitteln sind 7 Neuartige Therapien
Wie aus des Fünfjahres-Analyse hervorgeht, haben sich im Berichtszeitraum 95 Arzneimittel für das PRIME-Programm qualifiziert, das sind etwa 25% der Bewerber. Von diesen haben 18 bis zum Stichtag eine Zulassung erhalten, in 10 Fällen handelt es sich um eine bedingte Zulassung, 7 sind Neuartige Therapien, 89% der Zulassungen betrafen Arzneimittel mit Orphan-Drug-Status. Bei jedem dritten der zugelassenen PRIME-Arzneimittel ist der Einreicher ein KMU/SME.
Clock Stopp für kleinere Unternehmen um 67% verkürzt
Wie die Analyse zeigt, waren die Bearbeitungszeiten der Zulassungsanträge für PRIME-Arzneimittel im Vergleich zu Arzneimitteln ohne PRIME-Status insgesamt kürzer. Besonders ausgeprägt war der Zeitvorteil bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU/SME). Für diese Unternehmenskategorie waren die Clock-Stopps und damit die zur Beantwortung von Fragen und Bedenken von CHMP/CAT erforderlichen Verfahrenspausen bei PRIME-Arzneimitteln um 201 Tage oder 67% kürzer als bei Non-PRIME-Arzneimitteln (97 vs. 298 Tage). Bei PRIME-Arzneimitteln von größeren Unternehmen (Non-SME) betrug der Zeitvorteil beim Clock-Stopp 10% (89 vs. 99 Tage). Einbezogen in den Vergleich wurden Arzneimittel, die den Zulassungsprozess mit dem beschleunigten Verfahren (Accelerated Assessment) begonnen haben.
Optimaler Zeitpunkt für die Bewerbung gewinnt größere Beachtung
Die EMA stellt in dem Report zu verschiedenen Aspekten Überlegungen an, wie das PRIME-Programm weiterentwickelt und optimiert werden könnte. Diese betreffen etwa Fragen des richtigen Zeitpunkts für die Bewerbung um das Programm, der für das Programm geeigneten Produkte, der Flexibilität bei der Bereitstellung von Scientific Advice und des Wissens- und Erfahrungsaufbaus zur Unterstützung des Accelerated Assessments. Nach Auffassung der Autoren sollte der PRIME-Status nur Produkten gewährt werden, die auch von dem zusätzlichen Input in das Design für den Entwicklungsplan profitieren würden.
Der Report bemerkt außerdem, dass bisher nur wenigen Produkten ein früher Zugang zu PRIME schon auf der präklinischen Stufe oder in der frühen klinischen Studienphase gewährt wurde. Offenbar ist es schwierig, ein vielversprechendes Potential des Arzneimittels auf dieser Stufe zu belegen. Andererseits würde ein späterer Eintritt die Möglichkeiten eines Inputs, vor allem hinsichtlich CMS, Dosisfindung und auf nicht-klinischen Gebieten einschränken. Künftig soll daher dem Aspekt des besten Zeitpunkts für den Zugang zu PRIME größere Beachtung geschenkt werden.
PRIME für Indikationserweiterungen derzeit kein Thema
Keine Priorität sieht der Report derzeit für den aus Kreisen der Industrie geäußerten Wunsch nach einem PRIME-Programm auch für Indikationserweiterungen, da es unklar bleibe, welchen Mehrwert dieser zusätzliche Support haben könne. Schließlich hätten die Unternehmen, sobald ihr Arzneimittel zugelassen ist, bereits Zugang zu den Rapporteur-Teams.
„Product Development Tracker“ und „Submission Readiness Meeting“
Das vom Unternehmen vorgelegte jährliche Update über die laufende Entwicklung des PRIME-Produkts wird als ein wichtiges Gebiet für Verbesserungen bei der Unterstützung des Rapporteurs gesehen. Die EMA erwägt, als neues Dokument einen „Product Development Tracker“ einzuführen. Dieser könnte die Grundlage für Interaktionen mit dem Unternehmen bilden, etwa beim Erreichen bestimmter Meilensteine und wann immer wichtige Updates im Entwicklungsprogramm ins Auge gefasst werden, um den aktuellen „Snapshot“ des Entwicklungsstadiums zu dokumentieren und vorangegangene Diskussionen mit den Regulatoren festzuhalten.
Wie der Bericht feststellt, startet der überwiegende Teil der PRIME-Arzneimittel, für die ein Zulassungsantrag gestellt wird, das Verfahren mit dem Status der beschleunigten Bewertung (Accelerated Assessment), aber nur 56% behalten den Status bis zum Ende. Unter anderem, um hier bessere Ergebnisse zu erzielen, setzt sich die EMA für ein „Submission Readiness Meeting“ als Teil des PRIME-Programms ein, als eine Art Abschluss-Kick-Off-Meeting vor Einreichung des Zulassungsantrags. Bei diesem Meeting würde der Status wichtiger Erörterungen zur Produktentwicklung und die Umsetzung der Beratungsergebnisse überprüft werden. Dabei würden auch die realistischen Chancen für die Gewährung und Aufrechterhaltung eines Accelerated-Assessment-Status bewertet werden können, indem eine verfrühte Einreichung verhindert würde.
*) PRIME: Analysis of the first 5 years‘ experience Findings, learnings and recommendations