CHMP: Für drei seltene Krankheiten stehen erstmals Therapieoptionen vor der Zulassung

Gleich vier der fünf neuen Arzneimittel, die der CHMP bei seiner Maisitzung zur Zulassung empfohlen hat, sind gegen seltene Krankheiten gerichtet. Für drei von ihnen gab es bisher keine Therapieoptionen: Progerie, AADC-Mangel und ASMD (Niemann-Pick-Krankheit).

Der Ausschuss verständigte sich auf Positive Opinions für diese Orphan Drugs:

Zokinvy (Lonafarnib) von Eiger. Der oral aktive Hemmer der Farnesyltransferase für Patienten im Alter von 12 Monaten oder älter mit Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom oder Progeroider Laminopathie ist nach Darstellung der EMA die erste Therapieoption in dieser Indikation;

Upstaza (Eladocagen exuparvovec) von PTC Therapeutics, zur Behandlung des Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC)-Mangels bei Patienten im Alter von 18 Monaten und älter. Die intrazerebrale Gentherapie mit einem adenoassoziierten Vektor (AAV2) ist die erste Therapieoption für diese seltene ZNS-Störung: Der CHMP empfiehlt eine Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen;

Xenpozyme (Olipudase alfa) von Sanofi (Genzyme). Die Enzymersatztherapie ist indiziert bei Nicht- ZNS-Manifestationen einer ASMD (Saurer-Sphingomyelinase-Mangel / Niemann-Pick-Krankheit) bei pädiatrischen und erwachsenen Patienten mit Typ A/B oder B. Wie die EMA hervorhebt, gibt es für diese Erkrankung bisher noch keine Behandlungsmöglichkeit;

Kinpeygo, ein Hybridarzneimittel von Calliditas und Stada mit dem Wirkstoff Budesonid. Die zielgerichtete, in der Peyer-Plaques-Region des unteren Dünndarms freisetzende Budesonid-Formulierung ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit primärer Immunglobulin-A-Nephropathie (IgAN), bei denen das Risiko für ein schnelles Fortschreiten der Erkrankung besteht und die ein Protein-Kreatinin-Verhältnis im Urin (UPCR) von ≥1,5 g/Gramm aufweisen. Der CHMP empfiehlt eine bedingte Zulassung. Kinpeygo würde dann das erste und einzige zugelassene Medikament zur Behandlung von IgAN sein, wie Stada mitteilt.

Außerdem empfiehlt der CHMP die Zulassung von Cevenfacta mit dem Wirkstoff Eptacog beta (aktiviert).  Der rekombinante Faktor VIIa von LFB ist indiziert zur Behandlung und Vorbeugung von Blutungsereignissen bei bestimmten Patientengruppen mit angeborener Hämophilie, die sich chirurgischen oder invasiven Eingriffen unterziehen.

Für vier Generika sprach der CHMP ebenfalls Positive Opinions aus: Ertapenem SUN, ein Generikum von Invanz; Ganirelix Gedeon Richter, ein Generikum von Orgalutran; Sitagliptin / Metformin hydrochlorid Accord, ein Generikum von Janumet sowie Sugammadex Fresenius Kabi, ein Generikum von Bridion.

Nicht zur Zulassung empfohlen hat der CHMP ein Biosimilar von Herceptin. Die Negative Opinion betrifft die Zulassungsanträge für Hervelous bzw. Tuznue (Trastuzumab) von Prestige Biopharma.

Für zwei Arzneimittel haben die Antragssteller ihre Zulassungsanträge im Mai zurückgezogen:

Sitoiganap. Die Immuntherapie von ERC Belgium aus inaktivierten Zellen und -Lysaten von autologen und allogenen Gliomen war vorgesehen für Patienten mit fortgeschrittenen oder rezidivierenden malignen Gliomen. Der Rückzug erfolgte, nachdem die EMA die Antworten auf die Day 120 List of Questions ausgewertet hatte, aber aus Sicht der EMA weitere ausstehende Fragen verblieben. Der Antragsteller begründet die Rücknahme des Antrags in einem Brief an die EMA mit dem Feedback der Rapporteure, dem zufolge die bisherigen in den Studien erhobenen Daten zur Wirksamkeit nicht ausreichen, um diese zu überzeugen, obgleich die Real World Daten überaus positiv gewesen seien. Man werde weiterhin klinische Daten sammeln und sich danach wieder an die EMA wenden.

HemAryo (Eptacog alfa) von UGA Biopharma, ein Biosimilar von NovoSeven. Der Rückzug erfolgte nach Ausfertigung der Day 120 List of Questions. Die Antworten standen zum Zeitpunkt der Rücknahme des Antrags noch aus. Das Unternehmen begründet die Rücknahme des Zulassungsantrags in einem Brief an die EMA mit der Feststellung größerer Vorbehalte (Issues) im Hinblick auf die Herstellung. Man habe geplant, auf alle Vorbehalte der EMA einzugehen. Dies erfordere (jedoch) mehr Zeit als für die Beantwortung der Day 120 List eingeräumt werde. Alle klinischen Studien seien abgeschlossen. Die EMA hatte nach eigener Darstellung Bedenken hinsichtlich des Herstellungsverfahrens, die zu Unsicherheiten bezüglich der Qualität des Arzneimittels geführt hätten. Die Agentur hatte außerdem Bedenken in Bezug auf das Design und die Durchführung der Studien, in denen HemAryo mit dem Referenzarzneimittel verglichen wurde.

MAA10; 23.05.2022