CHMP: Antikörper für Babys erste RSV-Saison und fünf neue Arzneimittel für seltene Krankheiten
Während seiner Septembersitzung 2022 hat sich der CHMP auf Positive Opinions für die erstmalige Zulassung von zwölf Arzneimitteln verständigt, davon fünf mit Orphan-Drug-Status. Außerdem empfahl der Ausschuss die Zulassung eines monoklonalen Antikörpers, der mit einer einzigen Injektion Neugeborene und Kleinkinder während ihrer ersten RSV-Saison vor der RSV-Erkrankung schützen soll. Zur CHMP-Empfehlung und anschließenden Zulassung einer an die Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 angepassten Version von Comirnaty siehe die separate Meldung.
Beyfortus (Nirsevimab) von AstraZeneca (Antragsteller) und Sanofi ist indiziert zur Prophylaxe einer durch eine Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) verursachten Erkrankung der unteren Atemwege bei Neugeborenen und Kleinkindern während ihrer ersten RSV-Saison. Der monoklonale RSV-Antikörper mit verlängerter Halbwertzeit (erhältlich als 50 mg und 100 mg Lösung zur Injektion) bindet an das F-Protein des RSV und soll dadurch das Eindringen des Virus in die Zelle verhindern. Nirsevimab muss nur einmal verabreicht werden.
Fünf neue Therapieoptionen für seltene Krankheiten
Die folgenden fünf Arzneimittel hatten zum Zeitpunkt der CHMP-Empfehlung einen Status als Orphan Drug, für sie werden die Europäische Kommission bzw. der Ausschuss für Arzneimittel für seltene Leiden (COMP) vor der Zulassungsentscheidung jeweils prüfen, ob die Voraussetzungen für den Status weiterhin erfüllt sind:
Enjaymo (Sutimlimab) von Sanofi (Genzyme). Der gegen den Komplementfaktor C1s gerichtete monoklonale Antikörper wird angewendet bei hämolytischer Anämie bei Erwachsenen mit Kälteagglutininkrankheit (CAD).
Livtencity (Maribavir/Takeda) ist indiziert zur Behandlung einer Zytomegalievirus(CMV)-Infektion und/oder -Erkrankung, die refraktär ist (mit oder ohne Resistenzen) gegen eine oder mehr Therapien, einschließlich Ganciclovir, Valganciclovir, Cidofovir oder Foscarnet bei Erwachsenen, die sich einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation oder einer Organtransplantation unterzogen haben. Maribavir ist ein oraler Anti-CMV-Wirkstoff, der auf die UL97-Proteinkinase zielt.
Mycapssa (Octreotid) von Amryt (Chiasma). Das Somatostatin-Analogon wird angewendet zur Erhaltungstherapie bei Erwachsenen mit Akromegalie, die auf eine Behandlung mit Somatostatin-Analoga angesprochen und diese vertragen haben. Mycapssa ist ein Hybrid-Arzneimittel mit , aber anders als die Referenz Sandostatin IR enthält es Octreotid in oraler Formulierung.
Pyrukynd (Mitapivat/Agios) ist indiziert bei Erwachsenen mit Pyruvatkinase-Mangel. Bei Mitapivat handelt es sich um einen oralen Pyruvatkinase-R-(PKR)-Aktivator; laut Agios ist er der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse.
Zynlonta (Loncastuximab Tesirin) von ADC (Antragsteller) und Sobi. Das auf CD-19 gerichtete Antikörper-Wirkstoff-Konjugat wird als Monotherapie angewendet zur Behandlung von Erwachsenen mit rezidivierendem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) und hochmalignem B-Zell-Lymphom (HGBL), nach zwei oder mehr systemischen Therapielinien.
Außerdem empfahl der Ausschuss die Zulassung von:
Ximluci (Ranibizumab) von Stada (Antragsteller) und Xbrane, ein Biosimilar von Lucentis;
Teriparatide SUN (Teriparatid als 20 µg/80 µl Lösung zur Injektion), ein Hybrid-Arzneimittel. Das Osteoporose-Arzneimittel enthält die gleiche aktive Substanz wie das Biologikum Forsteo, jedoch ist Teriparatide SUN anders als Forsteo chemisch synthetisiert;
Melatonin Neurim für die kurzzeitige Behandlung der primären, durch schlechte Schlafqualität gekennzeichneten Insomnie bei Patienten ab 55 Jahren. Es handelt sich um einen Informed-Consent-Antrag mit Circadin als Referenzarzneimittel;
Sorafenib Accord, ein Generikum von Nexavar sowie den beiden Generika von Aubagio, Teriflunomide Accord und Teriflunomide Mylan.
Die Opinions werden nun an die Europäische Kommission weitergeleitet, die anschließend über die Zulassung entscheidet.
Entscheidung zu Synchron bestätigt
Im Mai 2022 hatte der CHMP das Ruhen der Zulassung für etwa 100 Generika empfohlen, weil sie nach Feststellung des Ausschusses auf der Grundlage mangelhafter Bioäquivalenzstudien zugelassen wurden, die durch das indische Auftragsforschungsunternehmen (CRO) Synchron Research Services (Ahmedabad) durchgeführt wurden. Lediglich für etwa 20 Arzneimittel lagen Bioäquivalenzdaten aus anderen Quellen vor, weshalb diese in der EU auf dem Markt bleiben können. Auf Antrag von einigen Zulassungsinhabern hat der CHMP die Empfehlung vom Mai nunmehr überprüft und bestätigt. Die Überprüfung ergab jedoch, dass für (weitere) acht Arzneimittel angemessene Daten zur Bioäquivalenz aus anderen Studien vorliegen. Sie dürfen weiter im Markt bleiben und werden von der Liste der Arzneimittel gestrichen, für die das Ruhen der Zulassung vorgesehen ist. Eine ausführliche Dokumentation zu Synchron hat die EMA auf ihrer Website veröffentlicht. Das Gutachten des CHMP geht nun an die Europäische Kommission, die eine bindende Entscheidung treffen wird.
In den aktuellen „CHMP-Meeting-Highlights“ meldet die EMA erneut die Rücknahme der Zulassungsanträge für Exkivity (Mobocertinib/Takeda) und für Sevsury (Surufatinib/Hutchmed), die bereits am 20.07.22 bzw. 02.08.22 erfolgten. Einzelheiten dazu finden Sie im Datenblatt „Antrag 2022 zurückgezogen“ des MAA-Report.