Halbjahresbilanz: Mehr EU-Arzneimittelzulassungen als im Vorjahr – aber nach wie vor längere Bearbeitungszeiten als in den USA

Die Europäische Kommission hat im 1. Halbjahr 2021 deutlich mehr neue Arzneimittel zugelassen als in der gleichen Vorjahreszeit. Der Start ins zweite Halbjahr lässt zudem erwarten, dass die gute Bilanz von 2020 auch in diesem Jahr erzielt, wenn nicht sogar übertroffen werden kann. Allerdings dauern die Zulassungsverfahren bei EMA und EU-Kommission nach wie vor länger als bei der FDA. Das ergibt sich aus der aktuellen Halbjahresbilanz des "MAA-Report".

Die Statistik erfasst auch Biosimilars, nicht jedoch Generika. Ebenfalls nicht erfasst sind Informed-Consent-Einreichungen. Zulassungen identischer Arzneimittel unter mehreren Handelsnamen werden nur einmal gezählt.

Im 1. Halbjahr 2021 hat die Europäische Kommission nach dieser Statistik 40 (Vorjahr: 27) neue Arzneimittel für den Europäischen Wirtschaftsraum (EU plus Island, Liechtenstein und Norwegen) zugelassen. Auch die zu Beginn des 2. Halbjahres erteilten Zulassungen und der „Vorrat“ an Positive Opinions lassen für die kommenden Monate ein reges Zulassungsgeschehen erwarten.

So verzeichnete der „MAA-Report“ Ende Juli dieses Jahres 8 Positive Opinions, die noch auf die Entscheidung durch die EU-Kommission warteten. Außerdem wurden noch im Juli 6 weitere Arzneimittel zugelassen. Da die EU-Kommission den CHMP-Empfehlungen nahezu immer folgt, kann man schon jetzt (Stand Ende Juli) ein Potenzial von 54 Zulassungen für 2021 in die Bücher schreiben (46 bereits erfolgte Zulassungen + 8 CHMP-Empfehlungen). Dieser „Vorschuss“ auf die Jahresbilanz lag vor einem Jahr bei 50 Arzneimitteln. Der CHMP tagt nach der Pause im August noch viermal in diesem Jahr, und zumindest die Ergebnisse der September- und der Oktobersitzung dürften von der Kommission noch 2021 bearbeitet werden. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass EMA und EU-Kommission an das gute Ergebnis des Gesamtjahres 2020 (66 Zulassungen) in diesem Jahr anknüpfen können.

Dafür spricht auch, dass sich die Kommission zum Ziel gesetzt hat, bis Jahresende fünf weitere COVID-19-Therapeutika zuzulassen. Gute Chancen auf eine Zulassung räumt sie dabei den Antikörpern Regdanvimab von Celltrion und Sotrovimab von Vir und GSK sowie den Antikörperkombinationen Bamlanivimab plus Etesevimab (Lilly) sowie Casirivimab plus Imdevimab von Regeneron (Roche) ein. Weiterer Kandidat ist das bereits bei Arthritis und atopischer Dermatitis zugelassene Immunsuppressivum Baricitinib von Lilly, dessen Indikation erweitert werden könnte.

Die Top Indikationen

Wie die Auswertung der Neuzulassungen im 1. Halbjahr 2021 nach Indikationsgruppen ergab, standen Arzneimittel für Krebspatienten mit 14 (gleiche Vorjahreszeit: 5) Zulassungen an der Spitze. Es folgen ZNS-Arzneimittel mit jeweils 5 (3) und Impfstoffe (einschließlich COVID-19-Vakzinen) mit 4 (2) Zulassungen. Auf diese Top-3 -Indikationen entfallen mit 23 Arzneimitteln mehr als die Hälfte der Zulassungen im Berichtshalbjahr.

Vier neue Biosimilars

Im 1. Halbjahr 2021 wurden vier Biosimilars zugelassen, ebenso viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Es handelt sich um zwei Biosimilars des Krebsarzneimittels Avastin (Bevacizumab), ein Biosimilar des Immunsuppressivums Humira (Adalimumab) sowie ein Biosimilar von NovoRapid (Insulin aspart). Nicht in dieser Übersicht erfasst ist das im Januar zugelassene Avastin-Biosimilar Onbevzi (Bevacizumab/Samsung Bioepis), ein Duplikat von Aybintio (Bevacizumab/ Samsung), das am 19.08.2020 in der EU zugelassen wurde.

Zulassungsverfahren in der EU dauerten im Mittel rund fünf Monate länger als in den USA

Beim Vergleich des Zulassungsgeschehens EU vs. USA ergibt sich folgendes Bild: Von den 40 im 1. Halbjahr durch die EU-Kommission zugelassenen Arzneimitteln (ohne Generika und Informed-Consent-Anträge aber einschließlich Biosimilars) hatten 30 und damit etwa 75 % zum Stichtag 30. Juni auch eine Zulassung durch die FDA.

Der „MAA-Report“ hat erneut die Bearbeitungszeiten in der EU, von der Einreichung des Antrags bei der EMA bis zur Zulassung durch die Europäische Kommission, mit denen der FDA verglichen. Daraus ergibt sich, dass Unternehmen in der EU nach wie vor länger auf die Zulassung warten müssen als in den USA.

Vier Arzneimittel mussten bei der Berechnung außen vor bleiben: Bei Koselugo lag der EPAR noch nicht vor, aus dem das Datum der Einreichung in der EU zu entnehmen ist. Bei Vazkepa und Kesimpta waren die Verfahren und damit die Bearbeitungszeiten diesseits und jenseits des Atlantiks nicht vergleichbar (Erstzulassung in der EU, Zulassungserweiterung – sBLA – in den USA). Auch nicht in die Berechnung einbezogen wurde Heplisav. Das Verfahren für die Hepatitis B Vakzine dauerte in den USA besonders lang (mehr als fünf Jahre), weil auf dem Weg zur Zulassung zwei Complete Response Letters (CRL) der FDA und entsprechende Neueinreichungen lagen. Das Datum der ersten Einreichung hat daher wenig Aussagekraft.

Der Vergleich der Bearbeitungszeiten stützt sich daher auf 26 Arzneimittel. Diese Stichprobe ergab für die EU eine Bearbeitungszeit von im Mittel 426 Tagen und für die USA eine solche von 262 Tagen. Das bedeutet für die EU eine durchschnittlich etwa fünf Monate längere Verfahrensdauer als in den USA.

Dass es auch in der EU schnell gehen kann, zeigen die Verfahren für die COVID-Impfstoffe (bedingte „ordentliche“ Zulassung hier, Notfallzulassung in den USA). Diese nahmen bei der EMA 18 (Vaxzevria), 24 (COVID-19 Vaccine Janssen) und 37 Tage (Spikevax) in Anspruch; die EU-Kommission erteilte die Zulassung jeweils unmittelbar nach Bekanntgabe der CHMP-Opinion. Nicht berücksichtigt ist die Zeit vom Beginn der Rolling Review bis zur Antragstellung. Zum Vergleich: In den USA dauerte das Verfahren für die Notallzulassung (EUA) bei der Vakzine von Moderna 18 Tage und bei dem Janssen-Impfstoff 23 Tage. Für Vaxzevria (AstraZeneca) wurde bis zum Ende des Halbjahres noch kein Antrag gestellt.

MAA15, 23.08.2021