2020 war ein ertragreiches Jahr in der EU-Zulassungsbilanz
Der EMA-Ausschuss für Human-Arzneimittel (CHMP), der seit März 2020 nur noch virtuell tagte, hat trotz Corona-Pandemie im vergangenen Jahr deutlich mehr Bewertungsverfahren für neue Arzneimittel zum Abschluss gebracht als im Jahr zuvor. Auf dieser Grundlage konnte die Europäische Kommission 2020 das zweitbeste Zulassungsergebnis der letzten fünf Jahre erzielen. Allerdings dauern die Verfahren in der EU nach wie vor länger als in den USA. Das zeigt die Jahresbilanz 2020 des "MAA-Report"
Danach hat die Europäische Kommission im vergangenen Jahr 66 neue Humanarzneimittel für den Europäischen Wirtschaftsraum (EU plus Norwegen, Island und Liechtenstein) zugelassen. Das sind rund 46% mehr als im Jahr davor (45). Nur einmal in den vergangenen fünf Jahren war die Ausbeute größer: Im Jahr 2018 mit 75 Zulassungen. Die Statistik des „MAA-Report“ erfasst auch Biosimilars, nicht jedoch Generika. Ebenfalls nicht erfasst sind Informed-Consent-Einreichungen. Zulassungen identischer Arzneimittel unter mehreren Handelsnamen (Duplikate) werden nur einmal gezählt.
Die Liste der Top 5 Indikationen 2020 wird angeführt von Krebsarzneimitteln (Antineoplastische Substanzen) mit 16 (Vorjahr: 9) Zulassungen, gefolgt von ZNS-Arzneimitteln und Schmerzmitteln mit 8 (5) Zulassungen. Auf dem dritten Platz rangieren Antiinfektiva (einschließlich Antibiotika) mit 7 (5) Zulassungen. Auf dem 4. Platz folgen Vakzinen mit 6 (1) Zulassungen, einschließlich Comirnaty, dem COVID-19-Impfstoff von BioNTech und Pfizer. Auf Platz 5 steht die breite Indikationsgruppe Alimentäres System und Stoffwechsel mit 5 (4) Zulassungen.
Stichprobe: Zulassungsverfahren bei der EMA dauern nach wie vor länger als bei der FDA
Am 31. Dezember 2020 hatten von den 66 Neuzulassungen des Jahres in der EU 47 Arzneimittel auch eine Zulassung in den USA. Für diese Stichprobe ermittelte der MAA-Report die Bearbeitungszeiten in beiden Regionen, berechnet von der Einreichung bis zur Zulassung durch die Europäische Kommission bzw. die FDA.
Ergebnis: Im Mittel vergingen von der Einreichung bis zur Zulassung in der EU 434 Tage und in den USA 267 Tage. Im zentralisierten Verfahren der EMA warteten die Antragsteller demnach 167 Tage und damit etwa fünfeinhalb Monate länger auf eine Zulassung als bei der FDA.
Die Diskrepanz ist insoweit bemerkenswert, als die regulär vorgesehene Verfahrensdauer bei der EMA und bei der FDA nahe beieinander liegt. Eine Standardbewertung bei der EMA dauert regelhaft bis zu 210 Tagen. Darin sind jedoch die „Clock Stops“ zur Klärung der dem Antragsteller übermittelten Fragen (Questions, Issues) nicht eingerechnet. Ein Beschleunigtes Verfahren (Accelerated Assessment) dauert formal 150 Tage. Im Anschluss an die Bewertungen hat die Europäische Kommission 67 Tage Zeit zur Erteilung der Zulassung. Eine Standardbewertung bei der FDA, die im positiven Falle, anders als in der EU unmittelbar mit der Zulassung durch die Agentur abschließt, dauert formal 10 Monate (ca. 300 Tage), eine mit dem Beschleunigten Verfahren in der EU vergleichbare Priority Review dauert sechs Monate (ca. 180 Tage). Die FDA kann die Bearbeitungszeit jeweils um drei Monate verlängern, etwa wenn der Antragsteller Daten nachreicht.
In der Praxis jedoch dauern die Verfahren bei EMA und EU-Kommission sehr häufig länger als bei der FDA, die ihre nominellen Bearbeitungszeiten nicht selten unterschreitet. Immerhin: Das Arzneimittel mit dem kürzesten Verfahren in der EU (außerhalb der Indikation COVID-19) war im vergangenen Jahr Oxlumo (Lumasiran) mit 233 Tagen von der Einreichung bis zur Zulassung. Das war sogar eine Punktlandung, denn der Antrag wurde fast gleichzeitig bei der EMA und der FDA eingereicht und fast gleichzeitig positiv beschieden (in den USA nach 234 Tagen). Das kürzeste Verfahren 2020 bei der FDA (außerhalb der Covid-19-Indikation) betraf Kaftrio/Trikafta (Elexacaftor, Tezacaftor, Ivacaftor) mit 94 Tagen (EU: 312 Tage).
Dass es diesseits wie jenseits des Atlantiks notfalls erheblich schneller gehen kann, zeigt sich in der Corona-Pandemie. In den USA dauerte das Verfahren für die Notallzulassung (EUA) der COVID-19-Vakzine Comirnaty 21 Tage. Exakt genauso kurz war das Verfahren für die (reguläre) bedingte Zulassung in der EU. Dabei fielen zwei weitere Besonderheiten auf: Die EU-Kommission erteilte ihre Zulassung noch am Tag der CHMP-Sitzung, bei der die Positive Opinion beschlossen wurde, ein Verfahren, dass sich bei den im Januar 2021 erteilten Zulassungen für weitere zwei COVID-19-Vakzinen fortsetzte. Die zweite Besonderheit war die vor der Antragstellung begonnene Rolling Review. In den USA ist die stufenweise Einreichung von Daten ein häufiges Verfahren, in der EU ist sie einem Notfall für die Öffentliche Gesundheit vorbehalten.