EUGH annulliert Kommissionsentscheidung gegen die Zulassung von Aplidin (PharmaMar)

Am 17.07.18 hatte die Europäische Kommission PharmaMar die Zulassung seines Arzneimittels Aplidin (Plitidepsin) zur Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom versagt. Diese Entscheidung hat der EuGH nun auf Antrag des spanischen Unternehmens annulliert (Rechtssache T-594/18 Urteil vom 28.10.20). In seiner Klage hatte PharmaMar Interessenkonflikte von einzelnen Mitgliedern der Scientific Advice Group (SAG) geltend gemacht und deren Unparteilichkeit bestritten. Den Argumenten schloss sich der Gerichtshof an.

Der beklagten Entscheidung der Kommission vorausgegangen waren zwei Negative Opinions des CHMP. Die zweite erfolgte nach einer Überprüfung, die von PharmaMar beantragt worden war. Die EU-Kommission ist den Empfehlungen des CHMP gefolgt und hat die Zulassung von Aplidin versagt.

Gegen deren Entscheidung hatte PharmaMar anschließend vor dem EuGH Klage eingereicht und dabei fünf Klagegründe angeführt. Im ersten Klagegrund machte PharmaMar geltend, dass die Verpflichtung zu einer unparteilichen Bewertung durch die Mitglieder der im Zulassungsverfahren beratend hinzugezogenen Scientific Advice Group (SAG) verletzt worden sei. PharmaMar sah bei zwei Mitgliedern der SAG Konflikte durch Interessen in der pharmazeutischen Industrie. Diese Mitglieder, beide Professoren, hätten von den das Arzneimittel betreffenden Meetings ausgeschlossen werden müssen.

Der eine Experte, Vice-Chairperson der SAG, hatte nach Darstellung der Klägerin als Angestellter eines Universitätsinstituts Einfluss auf die Universitätsklinik und auf ein klinisches Forschungszentrum, das als CRO zu klassifizieren sei. Außerdem sei das Institut eng mit der Entwicklung des Arzneimittels CellProtect befasst, das (wie Aplidin) bei Multiplem Myelom indiziert sei. Der zweite Experte sei Angestellter des Instituts und hätte nach Ansicht von PharmaMar ebenfalls von den Sitzungen ausgeschlossen werden müssen.

Wie aus der in englischer Sprache vorliegenden Entscheidung hervorgeht, schloss sich das Gericht bei der Frage, ob es einen Interessenkonflikt von Mitgliedern der SAG gegeben habe, weitgehend dem Vortrag von PharmaMar an.

Der EuGH ließ auch das Argument Europäischen Kommission nicht gelten, dass die SAG in die Entscheidung über die Zulassung nicht direkt einbezogen sei und deshalb eine fehlende Unparteilichkeit, selbst wenn sie gegeben wäre, die Bewertung durch den CHMP und damit die Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung nicht berühren würde. Das Gericht erinnerte daran, dass nach Artikel 63 (2) der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 Verwaltungsratsmitglieder, Ausschussmitglieder, Berichterstatter und Sachverständige keinerlei finanzielle oder sonstige Interessen in der pharmazeutischen Industrie haben dürfen, die ihre Unparteilichkeit beeinflussen könnten. Inhaltlich findet sich nach Feststellung des Gerichts, der Artikel 63(2) der Verordnung auch in Abschnitt 7.5 der Regeln für die SAG wieder, in dem die Garantien der Unabhängigkeit der SAG-Experten dargelegt werden. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass in Fällen, in denen eine Anzahl von EU-Institutionen, Einrichtungen, Ämtern und Agenturen jeweils separate Verantwortlichkeiten im Kontext mit einem Verfahren übertragen werden, das zu einer für eine Partei nachteiligen Entscheidung führt, jede dieser Einheiten verpflichtet ist, in Bezug auf ihre eigenen Aktivitäten, die Erfordernisse der objektiven Unparteilichkeit zu beachten.

Der EuGH kam zu dem Schluss, dass angesichts des potentiellen Einflusses der SAG auf Verlauf und Ergebnis des Zulassungsprozesses und der auch vom Gericht festgestellten Interessenkonflikte, das Verfahren, das zu der streitigen Entscheidung geführt hat, nicht ausreichend Garantien geliefert hat, die einen legitimen Zweifel an einem möglichen Bias ausschließen.

MAA20, 02.11.2020