Halbjahresbilanz: Bei den Zulassungen ist die FDA im Vergleich zur EMA nach wie vor schneller
Im 1. Halbjahr 2017 hat die Europäische Kommission 30 neue Arzneimittel nach dem zentralisierten Verfahren zugelassen, genauso viele wie in der ersten Jahreshälfte 2016 (Generika und Informed-Consent-Anträge nicht mitgerechnet). Rechnet man auch die Biosimilars heraus, sind es fünf Neuzulassungen weniger als in der gleichen Vorjahreszeit. Zugenommen hat der Anteil der Neuzulassungen für Arzneimittel gegen seltene Krankheiten: Jede dritte Zulassung betraf ein Orphan Drug. Wie die Auswertung des "MAA-Report" per 30. Juni 2017 aber auch ergab, hat die EU in der Zulassungsbilanz weiterhin einen Rückstand zu den USA. Viele neue Arzneimittel werden in der EU später verkehrsfähig als in den USA und die Bearbeitungszeiten sind hier länger.
Betrachtet man die Neuzulassungen nach Indikationsgruppen ergab, teilen sich Antineoplastische Substanzen diesmal ihre Spitzenposition mit Immunsuppressiva und -modulatoren (jeweils sechs Zulassungen). Auf Platz Zwei der Rangliste der Indikationen folgt die Gruppe „Alimentäres System und Stoffwechsel“ mit vier Zulassungen. Es folgen Diabetes-Arzneimittel mit drei, Antihämorrhagika mit zwei und Arzneimittel gegen Infektionen ebenfalls mit zwei Neuzulassungen. Darunter befindet sich nur ein antibiotisch wirkendes Arzneimittel: Zinplava (Bezlotoxumab) von MSD zur Prävention des Wiederauftretens einer Infektion mit C. difficile. Das andere Antiinfektivum, Vemlidy (Tenofovir Alafenamid (TAF)) von Gilead, ist bei Patienten mit chronischer Hepatitis B indiziert. Die EU-Kommission ließ nach positiver Bewertung durch den CHMP der EMA im Berichtshalbjahr zehn Orphan Drugs zu, die Mehrzahl für seltene Stoffwechsel- (3) und Krebserkrankungen (3). Drei Beispiele: Im Mai wurde Spinraza (Nusinersen/Biogen) zugelassen, das, wie die EMA hervorhob, erste Arzneimittel gegen Spinale Muskelatrophie. Ebenfalls im Mai erhielt Brineura (Cerliponase alfa) von Biomarin die Zulassung, eine Enzymersatztherapie für Kinder mit der sehr seltenen neurodegenerativen Erkrankung neuronale Ceroid-Lipofuszinose, Typ 2. Im April folgte Natpar von Shire, die erste Hormonersatztherapie für Patienten mit Hypoparathyreodismus. Deutlich mehr Biosimilars als im Vorjahr Im ersten Halbjahr 2017 nahmen deutlich mehr Biosimilars die im Vergleich zu den Referenzarzneimitteln niedrigere aber dennoch anspruchsvolle Zulassungshürde: Sieben im Vergleich zu zwei Biosimilars im 1. Halbjahr 2016. In der Zulassungsbilanz für dieses Jahr standen per 30. Juni schon zwei Biosimilars mit dem Antikörper Rituximab von Celltrion und Novartis (Sandoz), zwei Teriparatid-Biosimilars aus der Kooperation von Stada und Gedeon Richter, ein Biosimilar mit Etanercept von Novartis (Sandoz), ein Biosimilar von MSD mit Insulin glargin sowie ein Adalimumab-Biosimilar von Amgen. Die Bearbeitungszeiten, gerechnet von der Einreichung bei der EMA bis zur Zulassung durch die Kommission, lagen auch für die Biosimilars nicht unter einem Jahr. Sie reichten von 397 bis zu 590 Tagen. Wie stets zum Quartalsende zieht der MAA-Report auch wieder einen Vergleich EU/USA. Dabei haben wir die Biosimilars ausgeklammert. Hier hat die EU, genauer der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) mit seinen 500 Mio. Verbrauchern, dank einer schon vor Jahren geschaffenen regulatorischen Grundlage einen Vorsprung. So hatten nur zwei der sieben in der Berichtszeit von der EU Kommission zugelassenen Biosimilars auch eine Zulassung der FDA: Amgevita, Solymbic (Adalimumab/USA: adalimumab-atto) von Amgen sowie Erelzi (Etanercept) von Novartis (Sandoz). Erstaunlicherweise sind beide Biosimilars aber in den USA sechs bis zehn Monate früher zugelassen worden als im EWR. Auch die Bearbeitungszeiten waren in den USA kürzer: 303 : 475 Tagen bei Amgens Adalimumab-Biosimilar und 397 : 590 Tagen bei Erelzi. Konzentriert man den Vergleich EU/USA auf „innovative Arzneimittel“, definiert als solche mit neuen Wirkstoffen oder Wirkstoffkombinationen sowie in jedem Falle Orphan Drugs, ergibt sich folgendes Bild: Von den 23 im 1. Halbjahr durch die EU-Kommission zugelassenen Arzneimitteln dieser Kategorie hatten 15 und damit rund 65 % zum Stichtag 30.06.17 auch eine Zulassung in den USA. Die FDA hat im 1. Halbjahr 24 solcher Arzneimittel zugelassen. Davon waren nur vier, das sind knapp 17 %, zum Stichtag auch bereits von der EU-Kommission zugelassen worden. Die Gründe für die Diskrepanzen sind längere Bearbeitungszeiten in der EU und oft frühere Einreichungen in den USA oder eine Kombination von beiden. Dass ein Unternehmen auf die Einreichung im jeweils anderen Markt verzichtet, ist eher selten. So befinden sich die meisten der im 1. Halbjahr von der FDA zugelassenen Arzneimittel bereits im Zulassungsverfahren bei der EMA, in fünf Fällen liegt bereits eine Positive Opinion des CHMP vor und ein Arzneimittel (Brodalumab) wurde zwei Wochen nach dem Stichtag am 17.07.2017 zugelassen. Im Mittel dauert es in der EU vier Monate länger bis zur Zulassung Aus einer Stichprobe von 14 der im 1. Halbjahr 2016 von der EU-Kommission zugelassenen neuen Arzneimittel (ohne Biosimilars, Generika und Informed-Consent-Zulassungen) ließen sich die Bearbeitungszeiten vergleichen. Sie hatten zum Stichtag außer der EU- auch die US-Zulassung. Nicht einbezogen haben wir Ledaga (Chlormethin/J&J). Bei diesem Arzneimittel beträgt die Diskrepanz USA/EU 177 zu 686 Tage. Die kurze Bearbeitungszeit in den USA versteht sich vor dem Hintergrund einer Resubmission nach einem Complete Response Letter der FDA. Für die Stichprobe ergab sich ein Mittelwert für die Bearbeitungszeiten von 437 Tagen im EWR und nur 316 Tagen in den USA. Vom Antrag bis zur Zulassung dauert es demnach im Mittel in der EU 121 Tage oder rund vier Monate länger als in den USA. Im gesamten Jahr 2016 betrug der Abstand 100 Tage; für 2015 hatten wir 127 Tage ermittelt. Ein nachhaltiger Trend in die eine oder andere Richtung lässt sich daraus noch nicht ableiten.